16.09.2025 - Freie Bühne Wieden/ Wien
Alexander Wussow und Michaela Ehrenstein
Tschechow und Knipper
Ein Tisch, zwei Stühle, zwei Gläser Wasser, mehr braucht es nicht, um eine der faszinierendsten Liebes- und Künstlerbeziehungen der Theatergeschichte lebendig werden zu lassen. Auf der Freien Bühne Wieden widmete sich Michaela Ehrenstein und Alexander Wussow der Korrespondenz zwischen Anton Tschechow und Olga Knipper, einem Briefwechsel voller Sehnsucht, künstlerischem Ringen und stiller Tragik. Sie sind zudem untrennbar verknüpft mit der Aufführungs- bzw. Entstehungsgeschichte seiner Stücke "Die Möwe", "Die drei Schwestern", "Onkel Wanja" und "Der Kirschgarten".
Die Lesung, die auf Originaltexten basiert, verzichtet bewusst auf szenischen Überschwang. Stattdessen konzentriert sie sich ganz auf Sprache, Stimme und die feinen Zwischentöne, die das Werk des russischen Dramatikers ebenso prägen, wie seine private Beziehung zu der gefeierten Schauspielerin.
Die Verbindung zwischen Tschechow und Knipper war von Anfang an ein Balanceakt. Während Tschechow, gesundheitlich angeschlagen, zurückgezogen auf seinem Landgut in Jalta lebte oder um die Welt reiste, war Knipper fest im Moskauer Theaterbetrieb verwurzelt. Ihre Liebe musste sich über Distanzen hinweg behaupten, getragen von Briefen, die von Zärtlichkeit, Respekt, aber auch von Eifersucht und Zweifel erzählen. Diese Briefe spiegeln nicht nur das private Ringen zweier außergewöhnlicher Persönlichkeiten, sondern auch den Konflikt zwischen künstlerischem Anspruch und persönlichem Glück.
Wussow und Ehrenstein nähern sich dem Material mit spürbarer Zurückhaltung und Präzision. Ihre Sprache bleibt frei von Pathos, wirkt aber gerade dadurch umso intensiver.
Wussow verleiht dem kränklichen Tschechow eine stille Melancholie. Sein nach innen gekehrtes Spiel lässt die Zerrissenheit des Autors sichtbar werden. Ehrenstein hingegen gestaltet Knipper als selbstbewusste, zuweilen ungeduldige Frau, deren Stimme Wärme und Verletzlichkeit gleichermaßen transportiert.
Besonders eindrucksvoll sind jene Passagen, in denen sich ihre Stimmen verweben, wenn aus Sehnsucht Zärtlichkeit wird, aus Bewunderung Misstrauen.
Der Abend macht deutlich, wie eng Tschechows Werk und sein Leben miteinander verwoben sind. Die Themen, die seine Stücke durchziehen sind Einsamkeit, menschliche Sehnsucht und die Unmöglichkeit vollkommenen Verstehens. Sie werden in den Briefen unmittelbar erfahrbar. Die Inszenierung ist dabei leise und gewinnt gerade aus dieser Zurückhaltung ihre Tiefe.
Zum Abschluss wurden drei Texte von Sascha Wussow präsentiert, die sich durch sprachliche Präzision und poetische Feinheit auszeichneten. Mit hoher Sensibilität für Stimmungen führt er das Publikum in vielschichtige Gedankenwelten. Seine Worte verbinden lyrische Schönheit mit analytischer Klarheit und setzen damit einen nachhallenden und stimmigen Schlusspunkt unter einen gelungenen Abend.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotostrecke: Wolfgang Springer