10.10.2025 - Ronacher/ Wien

MARIA THERESIA - Das Musical
Pomp ohne Seele

Es ist ein ambitioniertes Unterfangen, eine der mächtigsten Frauen Europas in ein Musical zu verwandeln. Doch was die Vereinigten Bühnen Wien mit MARIA THERESIA – Das Musical präsentieren, bleibt trotz überwältigender Ausstattung und musikalischer Opulenz deutlich hinter den eigenen Ansprüchen zurück. Wo man Drama, Emotion und historische Tiefe erwartet, herrschen Pathos, Effekte und ein spürbares Vakuum im Zentrum.

Nienke Latten

Zwar basiert das Werk teils auf historischen Fakten, nimmt sich aber großzügige Freiheiten. Figuren und Ereignisse sind echt, doch Beziehungen und Konflikte werden verdichtet oder erfunden, um Spannung zu erzeugen. Besonders die Beziehung zwischen Maria Theresia und Friedrich von Preußen wird zu einem emotional aufgeladenen Duell, das historisch so nie stattfand.

Nienke Latten bringt Maria Theresia mit starker Bühnenpräsenz und klarer Stimme auf die Bühne. Sie meistert die vokalen Anforderungen souverän und vermittelt den Rang der Kaiserin eindrucksvoll. In emotionalen Momenten wirkt ihre Darstellung jedoch teils distanziert, der innere Konflikt zwischen Pflicht und persönlicher Sehnsucht kommt nur bedingt zur Geltung. Latte überzeugt als Repräsentantin der Macht, lässt aber die psychologische Tiefe der jungen Herrscherin gelegentlich vermissen.

Nienke Latten, Fabio Diso

Fabio Diso bringt als Franz Stephan von Lothringen eine charmante Präsenz auf die Bühne. Seine Darstellung wirkt zurückhaltend, aber überzeugend, wobei er besonders in den ruhigeren Szenen eine feine emotionale Tiefe zeigt. Gesanglich ist er solide, ohne herausragende Soli. Insgesamt liefert Diso eine sympathische und glaubwürdige Leistung.

Moritz Mausser, Ensemble

Moritz Mausser hingegen überzeugt als Friedrich von Preußen mit Intensität und psychologischer Präzision. Sein Friedrich ist kein bloßer Gegenspieler, sondern ein verletzter Machtmensch, zerrissen zwischen Ehrgeiz und Einsamkeit, kraftvoll gesungen, kontrolliert gespielt und nachhaltig in der Wirkung.

Annemarie Lauretta (Kaiserin Elisabeth Christine), Nienke Latten, Annemieke van Dam

Annemieke van Dam bringt als Madame Fuchs Wärme und Autorität in die Produktion. Sie gestaltet die Erzieherin der Kaiserin als moralische Instanz und emotionalen Spiegel, glaubhaft und berührend.

Andreas Wolfram agiert als Kanzler Bartenstein mit ruhiger Würde und klarem Gesang, eine unaufdringliche, aber tragende Präsenz.

Das große Problem liegt im Fundament. Die Partitur von Dieter und Paul Falk klingt monumental, bleibt aber oberflächlich. Hymnische Refrains und orchestraler Glanz, doch dahinter fehlt Struktur und emotionale Entwicklung. Balladen und Uptempo-Nummern ähneln einander, innere Konflikte werden von musikalischem Pathos übertönt.

Regisseur Alex Balga setzt auf Bewegung, Licht und Tempo, doch die Inszenierung bleibt äußerlich. Alles ist durchinszeniert, alles will Wirkung. Zwischen historischer Repräsentation und moderner Popästhetik findet das Stück keinen eigenen Stil. 

Fabio Diso, Ensemble


Die choreografische Präzision von Jonathan Huor wirkt makellos, aber dramaturgisch beliebig, höfische Etikette im Hip-Hop-Takt, ohne erzählerischen Mehrwert.

Das Orchester unter Carsten Paap agiert kraftvoll, doch Lautstärke ersetzt oft Dynamik. Die Mikrofonierung ist unausgewogen, der Klang übermächtig. Nur selten blitzt jene musikalische Präzision auf, für die die VBW sonst stehen.

Morgan Large liefert ein imposantes Bühnenbild aus LED, Projektionen und beweglichen Elementen, beeindruckend, aber überladen. Das Auge ist überfordert, der Raum verliert Tiefe. 

Auch Aleksandra Kicas Kostüme zwischen Barock und Fantasy wirken eher dekorativ als konzeptionell. 

Ben Cracknells Lichtdesign überstrahlt jede Nuance, ein visuelles Dauerfortissimo ohne Zwischentöne.

Das Buch von Thomas Kahry will viel: politische Analyse, biografische Genauigkeit, familiäres Drama, feministische Lesart. Doch in der Fülle der Themen verliert sich die Geschichte. Die Dialoge erklären, statt zu berühren und die Figuren bleiben Schablonen.

So entsteht ein Werk, das Größe sucht, aber keine Haltung findet. MARIA THERESIA – Das Musical ist brillant ausgestattet, musikalisch routiniert und technisch perfekt und doch erstaunlich leer. Die Kaiserin wird zur Projektionsfläche, ihre Geschichte zur Klangkulisse. Man verlässt den Saal mit dem Gefühl, ein Musical gesehen zu haben, das alles zeigt und nichts erzählt.

3 von 6 Sternen: ★★★     

Kritik: Michaela Springer;  Fotos: VBW/ Deen van Meer

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www.musicalvienna.at



 

 

 

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