10.08.2025 - Theater im Bunker/ Mödling; NÖ
HORRIBLE HABSBURGER!
Unterirdische Ausschweifungen
Wer den Bunker in Mödling betritt, lässt die gewohnte Theaterarchitektur hinter sich - keine samtbezogenen Logen, keine Distanz zwischen Bühne und Zuschauerraum, stattdessen feuchte Betonwände, niedrige Decken und schmale Gänge, in denen sich die Zuschauenden im Rhythmus der Inszenierung von Szene zu Szene bewegen.
Bruno Max nutzt diese räumliche Besonderheit nicht als bloße Kulisse, sondern als dramaturgischen Motor. Der unterirdische ehemalige Luftschutzbunker, welcher im 2. Weltkrieg unter anderem von italienischen Zwangsarbeitern errichtet und während der alliierten Bombenangriffe bis zu 8.000 Personen als Zufluchtsort diente, wird zur begehbaren Chronik monarchischer Exzesse, in der man von einem kaiserlichen Skandal zum nächsten gerät und auf dem Weg dorthin über perückenbepuderte Abgründe stolpert. Die Habsburger erscheinen hier nicht als entrückte Herrschaftssymbole, sondern als Menschen voller Laster, Neurosen und mit einer beunruhigend ungebrochenen Machtgier.
Das Stationentheater lebt vom Wechsel zwischen der Enge des Ortes und der Opulenz der Fantasie.
So tritt Maximilian I. in einer Szene als selbstbewusster Medienakteur auf und inszeniert eine Pressekonferenz, während Maria Theresia auf dem Weg zur Kaisergruft im Aufzug stecken bleibt. Kaiser Leopold erscheint als „Fotznpoidl“ (bezogen auf seine hervorstehende Unterlippe), und Ludwig Victor, das berüchtigte schwarze Familienschaf, in der Öffentlichkeit als „Luzi-Wuzi“ bekannt, setzt grotesk-humoristische Akzente in Damenkleidung.
Auch Franz Joseph ist Teil des Reigens, der Monarch, dessen Regentschaft 1848 mit den blutigen Barrikadenkämpfen begann und im Ersten Weltkrieg endete.
Otto der Schöne wird in einer pointiert inszenierten Szene als Flitzer im Hotel Sacher entlarvt. Die Auflösung des Moments verschränkt komödiantische Überraschung mit einer subversiven Brechung der repräsentativen Etikette und unterläuft damit gezielt die Aura höfischer Würde.
Kaum hat man sich in einer Szene eingerichtet, wird man weitergeführt zum nächsten Skandal. Die Episoden funktionieren wie präzise gesetzte Schlaglichter, grell, pointiert, bewusst übersteigert.
Kaiserin Elisabeth bleibt lediglich als schemenhafte Erinnerung präsent, was den pathetischen Momenten eine feine Melancholie verleiht. Den dramaturgischen Schlusspunkt setzt Kaiserin Zita, die versucht, den letzten Kaiser, Karl, wegen des Einsatzes von Chlorgas an der Front als „der Chlorreiche“ bekannt, posthum als Friedensfürsten zu verklären. Die Regie lässt sie dafür zwischen Waschmaschinen agieren, ein Bild von doppelter Bedeutung, symbolisch aufgeladen und zugleich von subtiler Ironie durchzogen. Beim Verlassen der Szene erklingt aus ihrem Mund die Kaiserhymne.
Ausstattung und Musik ergänzen die szenischen Erzählungen. Die Kostüme muten historisch an, die Musik spiegelt die absurd kitschige, aber auch die sentimentale Melancholie der alten Kaiserzeit („Es bleibt mir nichts erspart“ von Frizz Fischer) wider.
Das Herzstück dieser Inszenierung aber ist das Ensemble. Die Schauspieler:innen nehmen den engen, verwinkelten Spielort nicht nur an, sie formen ihn. In unmittelbarer Publikumsnähe entfalten sie eine darstellerische Präzision, die jede Geste, jeden Blick und jeder Atemzug zum Ereignis macht. Dabei wechseln die Darsteller:innen mühelos zwischen bizarrer Überzeichnung und psychologisch fein gezeichneter Charakterstudie, eine Gratwanderung, die sie mit sichtbarem Vergnügen meistern.
Die Inszenierung lebt von Kontrasten. Barocken Gesten prallen auf klaustrophobische Enge, glänzende Kostümpracht auf die schroffe Nüchternheit des Ortes. Dass diese Gegensätze nicht ins Beliebige kippen, ist der szenischen Disziplin und der darstellerischen Präsenz des großen Theater zum Fürchten-Ensembles zu verdanken.
HORRIBLE HABSBURGER! ist keine historische Rekonstruktion, sondern ein theatralisches Brennglas, das Macht, Dekadenz und menschliche Schwäche ins grelle Licht der Übertreibung rückt. Wer hier akribische Detailtreue erwartet, findet stattdessen satirische Pointierung und skurrile Zuspitzung. Gerade darin liegt der Reiz dieser Produktion, ein wilder, sinnlich überwältigender Ritt durch die Schattenseiten der Monarchie, der im Halbdunkel des Bunkers eine seltene Intensität entfaltet. Am Ende verlässt man diesen Ort mit dem Gefühl, dass Geschichte unter der Oberfläche noch immer ungebändigt lebt.
HORRIBLE HABSBURGER! werden noch bis 31. August im 15 Minuten-Takt die Besucher:innen durch den bespielten Bunker geführt. Für 2025 sind allerdings bereits alle Durchläufe ausverkauft. Eine Wiederaufnahme für Sommer 2026 ist angedacht.
6 von 6 Sternen: ★★★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Bettina Frenzel
www.theaterzumfuerchten.at/TheaterImBunker/