18.12.2025 - Wiener Stadthalle
CHER - Das Musical
Europapremiere
CHER – DAS MUSICAL präsentiert sich bei der Europapremiere in der Wiener Stadthalle als großformatiges Tribute-Projekt, das weniger auf biografische Tiefenschärfe als auf ikonische Wiedererkennbarkeit und spektakuläre Showeffekte setzt. Im Mittelpunkt steht nicht die kritische Durchdringung einer Künstlerinnenbiografie, sondern die Feier einer Pop-Figur, deren Karriere und Image längst selbst Teil der Popgeschichte geworden sind.
Die Dramaturgie folgt konsequent dem Jukebox-Musical-Prinzip. Songs aus mehreren Jahrzehnten strukturieren den Abend und markieren biografische Wegpunkte, von den frühen Erfolgen über private und berufliche Brüche bis hin zur souveränen Selbstinszenierung der späteren Jahre. Dieser Zugriff bleibt bewusst episodisch. Anstelle einer stringenten Erzählung entfaltet sich eine Abfolge prägnanter Momente, die eher Assoziationsräume öffnen als narrativen Zusammenhang herstellen. Das Musical vertraut darauf, dass das Publikum biografische Leerstellen mit eigenem Vorwissen füllt, eine Entscheidung, die den Abend gleichermaßen entlastet wie begrenzt.
Getragen wird die Produktion von drei Darstellerinnen, die Cher über unterschiedliche Lebensphasen hinweg verkörpern. Sophie Berner, Hannah Leser und Pamina Lenn präsentieren dabei keine Varianten derselben Figur, sondern markieren klar unterscheidbare Stadien einer künstlerischen und biografischen Entwicklung, die bewusst parallel auf der Bühne sichtbar gemacht werden.
Als „Star Cher“ steht Sophie Berner für die gegenwärtige Ikone, eine Künstlerin, die ihre Karriere reflektiert und zugleich souverän behauptet. Berner überzeugt mit stimmlicher Autorität und einer Präsenz, die weniger auf äußerliche Imitation als auf Haltung und Erfahrung setzt. Ihre Interpretation verleiht der Figur Gravitas und verweist auf eine Frau, die ihren Platz in der Popgeschichte nicht mehr behaupten muss.
Hannah Leser übernimmt als „Lady Cher“ die Phase der 1970er Jahre, eine Zeit des Übergangs, der Emanzipation und des künstlerischen Durchbruchs als Solokünstlerin. Mit feinem Gespür für innere Spannungen und äußere Neuorientierung zeichnet Leser eine Cher im Prozess der Selbstfindung. Ihre Darstellung verbindet emotionale Offenheit mit wachsender Selbstbehauptung und macht diese Phase zu einem dramaturgischen Scharnier des Abends.
Den Beginn markiert Pamina Lenn als „Babe Cher“. Sie verkörpert die junge Künstlerin an der Seite von Sonny Bono, noch am Anfang einer Weltkarriere, geprägt von Neugier, Ehrgeiz und einer gewissen Unschuld. Lenn bringt Leichtigkeit und Energie auf die Bühne und macht nachvollziehbar, wie früh Charisma und Eigenwilligkeit Teil von Chers öffentlicher Erscheinung waren.
Das Zusammenspiel der drei Frauen erweist sich als zentrales dramaturgisches Element der Produktion. Durch die gleichzeitige Präsenz mehrerer Chers wird Biografie nicht linear erzählt, sondern als Überlagerung von Erfahrungen, Haltungen und Bildern. Die Legende entsteht weniger aus der Summe der Fakten als aus der Vielschichtigkeit ihrer Darstellung, getragen von drei starken Performerinnen, die der Ikone jeweils eine eigene, präzise Facette hinzufügen.
Jan Rogler gestaltet die Rolle des Sonny Bono mit einer bemerkenswerten Balance aus Charme, Ambivalenz und leiser Tragik. Seine Darstellung vermeidet die Karikatur des Pop-Exzentrikers und nähert sich der Figur als komplexem Akteur zwischen kreativer Vision, geschäftlichem Ehrgeiz und persönlicher Unsicherheit.
Musikalisch überzeugt die Produktion durch eine solide bis starke vokale Umsetzung. Die Sängerinnen meistern das anspruchsvolle Repertoire mit technischer Präzision und ausgeprägter Bühnenpräsenz. Dabei wird weniger eine perfekte Imitation angestrebt als eine stilistische Annäherung, die dem Original Respekt zollt, ohne es vollständig zu kopieren. Gerade in den emotional aufgeladenen Balladen zeigt sich, dass das Material auch jenseits des ikonischen Glamours trägt.
Die Inszenierung setzt konsequent auf visuelle Opulenz. Kostüme, Lichtdesign und Projektionen orientieren sich stark an Chers berühmten Bühnenlooks und medialen Bildern. Dieser ästhetische Fokus ist erwartbar und wirkungsvoll, führt jedoch stellenweise zu einer gewissen Austauschbarkeit der Szenen. Der permanente visuelle Reiz lässt wenig Raum für leise Momente oder dramaturgische Verdichtung. Das Musical will beeindrucken und tut dies häufig erfolgreich, riskiert dabei jedoch, emotionale Nuancen zu überdecken.
Thematisch streift die Produktion Fragen von Selbstermächtigung, weiblicher Autonomie und medialer Selbstinszenierung, vertieft sie jedoch kaum. Konflikte werden angerissen, selten ausformuliert. Die Ambivalenzen und Widersprüche der Figur Cher bleiben zugunsten eines affirmativen Narrativs weitgehend unberührt. Das Musical versteht sich klar als Hommage, nicht als kritisches Porträt.
In der Wiener Stadthalle entfaltet CHER – DAS MUSICAL vor allem als Event seine Wirkung. Der Applaus gilt weniger der dramatischen Entwicklung als dem kollektiven Wiedererkennen von Songs, Bildern und Gesten. Als musikalisches Spektakel funktioniert der Abend überzeugend, als musiktheatrale Auseinandersetzung mit einer außergewöhnlichen Künstlerinnenbiografie bleibt er jedoch an der Oberfläche.
So erweist sich CHER – DAS MUSICAL als professionell produziertes, publikumswirksames Format, dessen Stärke eindeutig in Show und Sound liegt. Es bietet glanzvolle Unterhaltung und nostalgische Momente, verzichtet jedoch bewusst auf erzählerische Risiken. Das Musical zelebriert Popgeschichte, reflektiert sie aber kaum und entscheidet sich damit klar für Glamour statt Analyse.
4 von 6 Sternen: ★★★★
Kritik: Michaela Springer; Fotos: Nico Moser
Alle Tour-Daten unter: www.showslot.com







